Zecken! Zecken? – Überschätzte oder unterschätzte Gefahr? Teil I

Neuankömmlinge geistern durch die Gazetten

– und sie haben acht Beine: Neue Zeckenarten überfallen Mitteleuropa und bringen gefährliche Seuchen mit. Derartige Schlagzeilen bringen Leser, sind Auflage-Garanten, vor allem wenn die Protagonisten die lieben Haustiere gefährden. Die Rede ist von der Auwald- und der Hyalomma-Zecke, die immer häufiger in hiesigen Gefilden aufgefunden werden.

Wenn sie sonst zu nichts taugen – als Aufhänger, um mal wieder das Risiko durch hiesige Zeckenarten kolportieren, kommen sie gerade recht. Weit verbreitet ist der Gemeine Holzbock (Ixodes rizinus), der je nach Wetterlage ganzjährig aktiv sein kann. Seine Lieblingssaison ist der milde, nicht zu trockene Frühling. Seine Mitbringsel heißen Borreliose, Anaplasmose und FSME. Sein Status in der Bevölkerung: extrem verhasst.

Besonders die durch den Holzbock übertragene Borreliose macht Hundebesitzern Angst. Sie äußert sich in den meisten Fällen durch eine Polyarthritis mit wechselnden (intermittierenden) Lahmheiten. Typisch ist der schubweise Verlauf. Nach wochen- oder monatelangen symptomfreien Phasen kommt wieder ein Ausbruch mit heftigen Gelenkschmerzen und vielleicht Fieber, was Apathie und Appetitmangel auslöst.

Allerdings korreliert die Panik vor der Borreliose kaum mit den tatsächlichen Fallzahlen. Die durch schraubenförmige Bakterien ausgelöste Erkrankung wird von vielen Wissenschaftlern als „extrem überdiagnostiziert“ bezeichnet, sprich: Sie gehen von einer großen Zahl falsch positiver Resultate aus. In den USA kursieren Schätzungen, dass kaum fünf Prozent der Borreliose-Diagnosen tatsächlich stimmen.

 

Dass die Gefahr der Borreliose so hochgespielt wird, lässt sich auch auf wirtschaftliche Interessen zurückführen

Hinter entsprechenden Veröffentlichungen stecken meist entweder Hersteller von Parasitenschutzprodukten oder Impfstoffen. Die Impfung gegen Borreliose wird aber von der Ständigen Impfkommission Veterinärmedizin als Non-Core (nur unter besonderen Umständen notwendig) eingeschätzt. Manche Uni-Tierkliniken raten sogar davon ab – die Impfung gilt als schlecht verträglich und in ihrer Schutzwirkung mangelhaft.

Dem entgegen stehen hohe Infektionsraten. „Was??!!!“, ruft jetzt mancher erschrocken aus und greift zum Telefon, um einen Impftermin zu vereinbaren. Doch halt, Moment! Infektion bedeutet nur, dass der Hund schon einmal heimlich Kontakt zu einer Borrelie hatte, dass sein Organismus also Bekanntschaft mit dem Erreger gemacht hat. Gegen diesen hat das Immunsystem Antikörper ausgebildet, die im Labor messbar sind. Eine Erkrankung aber, also die Ausbildung von Symptomen, manifestiert sich sehr selten. Angesehene Virologen gehen davon aus, dass weitaus die meisten Hunde eine Resistenz gegen Borrelien entwickeln. Das Tier wird zwar von den Bakterien heimgesucht, sein Immunsystem hält sie aber unter Kontrolle, eliminiert sie.

Die Anaplasmose wird ebenfalls durch Bakterien ausgelöst. Ähnlich wie bei der Borreliose wird nach dem Stich des Überträgers, also des Gemeinen Holzbocks, nach 24 bis 48 Stunden das Bakterium in den Endwirt – den Hund – eingeschleust. Zu Krankheitsausbrüchen kommt es äußerst selten, allerdings ist die Symptomatik nicht ohne: Fieber, Apathie und Fressunlust, Blutungen durch Abnahme der Thrombozyten, Polyarthritis, neurologische Störungen und weitere Beschwerden können sich nach einer Inkubationszeit von zwei bis 20 Tagen zeigen. Eine Impfung gibt es nicht.

Auch vor der Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) kann man den Hund nicht durch eine Impfung schützen – die für den Menschen in Endemiegebieten empfohlen wird. Allerdings tragen selbst in Hochrisikogebieten nur wenige Holzböcke das Virus in sich, und die meisten Hunde scheinen dagegen immun zu sein. Nur ganz wenige Fälle von FSME bei Hunden sind bekannt, immer war das Immunsystem bereits durch Vorerkrankungen geschwächt. Die Viren sind übrigens nur in Teilen von Deutschland verbreitet. Auf der Webseite des Robert-Koch-Instituts* findet man Karten, auf denen die befallenen Landkreise markiert sind.

„Angst essen Seele auf“, lautet der Titel eines Fassbender-Films. Ich passe das an durch „Informationen essen Angst auf“. Wer Risiken einzuschätzen weiß, kann sachlich damit umgehen.

Die Gefahr durch Zeckenstiche ist also nicht so groß, wie es durch die Berichterstattung in Zeitschriften und Internet den Anschein hat. Trotzdem möchte man sich und den Hund vor möglichen Erkrankungen schützen. Gerne wird dafür ein modernes Medikament empfohlen in Form von Tabletten, die bis zu vier Monate Schutz vor Zecken und Flöhen bieten sollen. Ich persönlich rate davon ab – es sind viele Todesfälle und heftige Nebenwirkungen bekannt, so dass sogar auf behördliche Anweisung die Warnungen in der Packungsbeilage verschärft werden mussten. Andere Möglichkeiten zum Schutz bieten beim Tierarzt erhältliche spezielle Parasitenhalsbänder oder Spot-on-Präparate, die dem Hund auf die Haut geträufelt werden. Diese herkömmlichen Produkte enthalten Neurotoxine, also Nervengifte, mit denen man sehr sparsam umgehen möchte (ausführliche Informationen zu der gesamten Problematik finden Sie in meinem Buch „Tierisches Risiko – Parasiten und Prophylaxe beim Hund“). Das gilt übrigens auch für frei verkäufliche chemisch-synthetische Präparate.

Es gibt verschiedene natürliche Alternativen, zum Beispiel Produkte auf Neem-Öl-Basis für die äußerliche Anwendung, auch als Halsband oder Spot on. Manche Hundehalter schützen ihre Tiere durch das tägliche Auftragen von Ätherischen Ölen oder durch Nahrungsergänzung mit Bierhefe, Knoblauch oder Cistus Incanus. Wo wenig Zecken kursieren, reicht es bei aus, nach dem Spaziergang das Fell zu durchsuchen und die Quälgeister abzusammeln.

Zu den Alternativen muss man sich klar machen, dass sie aufwendiger sind, als einmal monatlich die Chemie vom Tierarzt anzuwenden, und dass nicht jede Maßnahme jeden Hund gleich schützt. Dennoch entwickeln viele Halter effektive Hausmittel, so dass ihre Lieblinge vor Zecken UND vor Neurotoxinen geschützt sind. Zu den Alternativen schreibe ich ausführlich in Kürze in einem weiteren Blog-Beitrag.

 

/ Link RKI: https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/F/FSME/Karte_Tab.html

/ Link Buch: https://www.tierisches-risiko.de/

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